Wenn von Christopher William Stoneking die Rede ist, wird in der Regel zuerst die Geschichte des zeitreisenden Australiers rauf und runter gebetet, der mit seiner Musik direkt aus den USA der
1920er Jahre zu uns in die Gegenwart gestolpert zu sein scheint. Sicher, Stoneking hat an diesem Image fleißig selbst mit geschraubt. Der Vintage-Sound seiner Platten ist so gebürstet, als
schalle er geradewegs aus den Küchenradios von Baumwollflückern aus Alabama am Vorabend der Great Depression und die Synthese aus Blues, Hillbilly und Jazz-Elementen scheint auf einer
unmittelbaren Inspiration durch Jimmie Rodgers zu fußen – inklusive dessen Blue Yodel.
Dennoch ist es verkehrt in C.W. Stoneking nur den Epigonen und Folklore-Künstler zu sehen. Dafür ist er zu talentiert, sein Repertoire an eigenen Kompositionen zu stark und die Umsetzung auf der
Bühne zu beeindruckend. Ganz in weiß mit grüner Fliege gekleidet, abwechselnd Dobro und Banjo spielend, begeistert Stoneking sein Publikum in der beschaulichen Wiesbadener Räucherkammer von der
ersten Minute an. Besonders in Kombination mit seinem Primitive Horn Orchestra, das ihn bereits bei den Aufnahmen seiner in Australien bereits mehrfach ausgezeichneten aktuellen Platte "Jungle
Blues" unterstütze, zünden sofort. James Clark an der Tuba, Kynan Robinson an der Posaune, Stephen Grant am Kornett und Ollie Browne an den Drums spielen virtuos auf und arrangieren den zuletzt
deutlich Jazz und Swing orientierteren Sound live noch überzeugender als im Studio. Der eigentliche Charme von Stonekings Songs entpuppt sich aber eigentlich erst bei seinen Solodarbietungen. Die
werden immer wieder eingestreut, wenn die Band sich für ein oder zwei Nummern von der Bühne zurück zieht, um ihrem Sänger das Feld zu überlassen. Mit stoischem Gesichtsausdruck (böse Zungen
behaupten, er hätte sich sogar seine Mimik aus den 20er Jahren bei Stoneface Buster Keaton abgeschaut) phrasiert Stoneking kauzig wie Tom Waits zu seinen besten Zeiten und erzählt in seinen
Stücken von sprechenden Löwen, von Saufgelagen und den alltäglichen Problemen, die der Besitz einer eigenen Goldmine so mit sich bringt. Neben aktuellen Songs sind vor allem Kompositionen des
Vorgängeralbums "King Hokum" sowie "Brave Son Of America", ein Cover des Calypso-Musikers Wilmoth Houdini, zu hören. An seinen Storyteller-Qualitäten ohne musikalische Untermalung sollte
Stoneking zumindest hierzulande noch arbeiten. Seine langgezogene Geschichte über eigentümliche Besuche bei einer Wahrsagerin vernuschelt der 36-jährige dermaßen, dass sie bei den ca. 70 Zuhörern
versandet bis sich hörbar Unruhe breitmacht.
C.W. Stoneking wandelt auf einem schmalen Grad zwischen authentischem, von amerikanischer Roots-Music inspiriertem Songwriter und Nostalgiesänger aus der Retorte. Der Eindruck seiner mitreißenden
Live-Performance, die ohne anbiedernde Ironisierung und sonstigen inszenatorischen Firlefanz auskommt, zerstreut letztlich aber jeden Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit, den man nach dem Hören
seiner Platten möglicherweise noch in Ansätzen gehabt hatte.